Mein Rückblick auf die #bdk16

Letztes Wochenende, genauer gesagt vom 11. bis zum 13. November 2016, fand die vorletzte Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis ‘90/Die Grünen vor der Bundestagswahl 2017 statt. Sie war in Münster unter dem Motto „wir bleiben unbequem“. Es ging hauptsächlich darum, inhaltliche Weichen für die Bundestagswahl 2017 zu stellen, indem ein neues Steuerkonzept beschlossen wurde. Neben der überschattenden Diskussion zu einem geeigneten Steuerkonzept, wurden ebenfalls Anträge zur Sozial-, Europa-, Religions- und Klimapolitik, sowie zu weiteren Themenfeldern, beschlossen.

Folgt einfach diesem Link für eine komplette Übersicht über die beschlossenen Anträge: https://www.gruene.de/ueber-uns/beschluesse-der-bundesdelegiertenkonferenz.html

Es waren Vertreter mehrerer Sender und Zeitschriften vor Ort, wie der ARD (inklusive extra 3), dem ZDF (ja, auch der heute show) und dem MDR. Für viele der anwesenden Reporter*innen ging es hauptsächlich darum, die Stimmung innerhalb der Partei aufzugreifen und wieder zu geben. Das ist nicht grundsätzlich verwerflich, jedoch alleinstehend inhaltlich ziemlich dünn. Nach der Bundesdelegiertenkonferenz wurde fast im Einklang getitelt: „Linksrutsch bei den Grünen – Vorbereitung auf Rot-Rot-Grün 2017?“

Auch ich war an diesem Wochenende in Münster; an dieser Stelle einen riesigen Dank an Franziska Schubert und Jens Bitzka. Hier möchte ich meine Sicht der #bdk16 widergeben, da meiner Meinung nach viele Reporter*innen diesen Parteitag und seine Beschlüsse falsch verstanden haben.
Ich finde nicht, dass die Partei am Wochenende einen „Linksrutsch“ durchlebte. Mal abgesehen von dem Beschluss zum Ehegattensplitting, welches dank der Delegierten im Falle einer Regierungsbildung lediglich auf Neuehen angewendet werden wird, haben die Mitglieder am Wochenende ein Steuerkonzept gewählt, das das Wort „Vermögenssteuer“ zwar enthält, sie aber nicht genau definiert.

„Dabei soll für Paare, die nach einer Reform heiraten oder sich verpartnern, das neue Recht gelten.
Für Paare, die bereits verheiratet oder verpartnert sind, bleibt das alte Recht mit Ehegattensplitting
bestehen.“ Beschluss „Wir investieren in Gerechtigkeit“ der Bundesdelegiertenkonferenz vom 12.11.2016

Der gewählte Antrag war einer von fünf Alternativen und kam vom Bundesvorstand, der mit einer Arbeitsgruppe seit der letzten Bundestagswahl an einem realistischen und umsetzbaren Steuerkonzept arbeitete. Er gilt allgemein hin als Kompromissvorschlag für Realos und Fundis.
In diesem Antrag steht die Formulierung „Vermögenssteuer für Superreiche“ offen beschrieben, jedoch sagt sie nicht aus, wie diese genau umgesetzt werden soll. Auch wird nicht erwähnt, wie hoch sie sein soll und ab wann ein Mensch als „superreich“ gilt.
Einige der vier Alternativen wären eine radikale Vermögensbesteuerung der Grünen Jugend oder die einfache Erbschaftssteuer von Anja Hajduk u.a. gewesen. Schon im Meinungsbild wurde deutlich, dass eine klare Vermögenssteuer, wie sie im Antrag der Grünen Jugend gefordert wurde, von den Delegierten des Parteitages abgelehnt wurde. Anja Hajduks Vorschlag einer direkten Erbschaftssteuer hingegen kam in die engere Auswahl. Auch wenn ihr Antrag nicht gewählt wurde, so findet sich die Erbschaftssteuer im gewählten Antrag ebenso wieder.

„Wenn das Verfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit
feststellt, werden wir ein neues Konzept einer Erbschaftssteuer entwickeln müssen,
das einfach und gerecht ist und keine Zweifel an der Verfassungskonformität lässt.“ Beschluss „Wir investieren in Gerechtigkeit“ der Bundesdelegiertenkonferenz vom 12.11.2016

Dieser Parteitag war geprägt von einem Versuch der Versöhnung zwischen den Flügeln. Ob das durch den gewählten Antrag gelingt, bleibt allerdings abzuwarten.

Trotz der kleinen Erfolge (wie der angeblichen Vermögenssteuer oder der Abschaffung der Hartz IV-Sanktionen), konnten sich die Fundis unter uns Grünen meines Erachtens an diesem Wochenende nicht durchsetzen. Die realpolitischen Erfolge indes versprachen eine Änderung der grünen Partei hin zur politischen Mitte und die Öffnung vieler Delegierte auch für unangenehme Gespräche, wie dem mit Herrn Zetsche. Zu Herrn Zetsche: Im Vorfeld des Bundesparteitages deutete sich, aufgrund eines massiven Widerstandes gegen den Auftritt, eine Ausladung Zetsches an, welche vom Bundesvorstand jedoch ausgeschlagen wurde. Der Fortschritt der Automobilindustrie hin zur Elektromobilität kann durch niemanden besser begleitet werden als durch eine grüne Partei, welche diesen selbstbewusst mitgestaltet. Darum war es folgerichtig, Zetsche auf der #bdk16 reden zu lassen und anschließend mit ihm in die Diskussion zu kommen.

Bereits bei der Einleitung Zetsches traf unser Bundesvorsitzender Cem Özdemir den Nagel auf den Kopf: Wir wollen uns nicht von Angst leiten lassen! Weder von der Angst vor einer nationalistischen Bewegung, noch von der Angst vor der Automobilindustrie. Dafür erntete Cem tosenden Applaus und eine spontane Standing Ovation, bei der auch ich stand. Als Herr Zetsche schließlich redete, hörten ihm die Delegierten aufmerksam und ruhig zu und gönnten ihm auch mehrere Zwischenapplause – als würde ein normales Parteimitglied seine oder ihre dreiminütige Redezeit nutzen. Gewiss, seine Rede war geschönt und besonders auf uns ökologische Grüne abgestimmt, dennoch waren seine Worte sehr klug gewählt und seine Äußerungen weit neutraler und weltoffener als manche*r Redner*in davor.

Alles in allem bin ich zufrieden mit der #bdk16. Ich habe alte Bekanntschaften getroffen, nette Gespräche gehabt und neue Menschen kennengelernt.

Hier übrigens noch die aufgezeichnete Einleitung von Cem und die Rede von Herrn Zetsche, die ich nur empfehlen kann: https://www.youtube.com/watch?v=Cy1b4EaQC_4

von zuerst erschienen auf meinem Blog

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