von Achim Wesjohann
Heute stand mal wieder in der Zeitung, dass der Dresdner CDU-Vorsitzende, Christian Hartmann, eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht ausschließe. Ich wurde schon aufgefordert, als Stadtvorstandssprecher dazu eine Pressemitteilung zu machen (Herr Schollbach von der Linkspartei hat eine gemacht). Ich habe es dann aber nicht gemacht, und zwar aus dem simplen Grunde, dass die Sächsische Zeitung offenbar aus einem Papier zitiert, das ich nicht kenne. Trotzdem ist der Bericht alarmierend. Darin beschreibt Hartmann das Ziel, „eine bürgerliche Mehrheit zu erreichen“. Das Schlimme ist, dass er nicht ausschließt, dass das eine Mehrheit inklusive AfD sein könnte, auch wenn er bewusst unbestimmt bleibt. Ich stelle das mal fest, ohne mich öffentlich zu echauffieren, damit nicht gleich das „war nicht so gemeint“ folgt…
Da fragt man sich, was eine „bürgerliche Mehrheit“ noch sein soll, wenn offensichtlich ist, dass ein angeblicher Teil davon bürgerliche Werte nicht teilt. In einer Zeit, in der schon der schlichte Anstand als „Gutmenschentum“ verunglimpft wird, könnte die CDU mal nach ihrer Verantwortung als (angeblich) konservativer Partei fragen. Aber die Bereitschaft dazu ist offenbar nicht da. Hauptsache Mehrheit!
Das Irre daran ist, dass es offenbar nur noch darum geht, ob die CDU mit der extremen Rechten zusammenarbeiten wird oder nicht. Es scheint seitens der CDU also gar kein Thema mehr zu sein, dass man mit anderen demokratischen Kräften zusammenarbeiten könnte. Das Lagerdenken ist so ausgeprägt, dass man nach „links“ dicht macht, um rechts den Ausweg zu suchen. Der kommende Lagerwahlkampf wird uns also so oder so von der CDU aufgezwungen. Aber dieses angeblich „bürgerliche“ Lager wird erodieren wie die amerikanischen Republikaner unter Trump, weil der bloße Hass gegen jeglichen demokratischen, sozialen und ökologischen Fortschritt noch keinen moralischen Kompass ersetzt. Wer in Dresden im eigentlichen Sinne konservativ ist, ist mittlerweile politisch heimatlos.
Christian Hartmann wird mit einer bemerkenswerten Feststellung zur CDU-Stadtratsfraktion zitiert: „Die Fraktion sucht noch ihre Rolle“. Vier Jahre nach der Wahl hat sie also ihre Rolle immer noch nicht gefunden! Besser kann man Politikunfähigkeit wirklich nicht beschreiben. Aus dieser Orientierungslosigkeit resultieren wohl der Kurs der Dresdner Union und die Bereitschaft, Dresden in ein schwarzblaues Chaos zu führen. Um nochmal das Beispiel der US-Republikaner in der Trump-Ära zu bemühen: Ich sympathisierte noch nie mit der großen konservativen Partei, aber ihr Zustand macht mittlerweile auch mir Sorge, weil die Unfähigkeit zum konstruktiven Meinungsstreit die Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas begünstigt.
In der ganzen Gemengelage werden von manchen die Unterschiede zwischen Dresden und Sachsen übersehen. Sie meinen, dass wir auf eine schwarzblaue Staatsregierung zusteuern. Ich spreche der CDU die moralische Bereitschaft dazu nicht ab, glaube aber, dass es da große Vorbehalte geben mag, weil sie kein Chaos mag, und die AfD ist am Ende doch noch eine Chaos-Truppe. Deshalb kann eine Konsequenz aus der Devise „AfD verhindern“ eben auch die Bereitschaft sein, der CDU eine Koalitionsalternative zu bieten, so doof das jetzt auch klingen mag. Womit noch nicht gesagt ist, wer diese Alternative tatsächlich anbieten wird. Das Dumme ist, dass wir rein zahlenmäßig weit von einer Mitte-Links-Regierung in Sachsen entfernt sind. Die CDU ist eine Regierungspartei in Panik. In Dresden ist das anders: Die CDU hat hier im doppelten Sinne immer weniger zu sagen, und wir haben eine progressive Gestaltungsmehrheit.
Es wird immer deutlicher: In Dresden haben wir wirklich etwas zu verteidigen.
Die hilflose Angst-Revolte der CSU und der Sachsen-CDU – und was diese für uns Grüne – besonders in Sachsen – bedeutet.
Ich denke, es ist JETZT Zeit, sehr deutlich zu machen, dass wir Grüne für eine Regierungsbeteiligung auch in Sachsen dann und nur dann bereit sind, wenn alle Partner in dieser Regierung den Geist unserer liberalen und toleranten Verfassung, den Geist der unantastbaren Menschenwürde teilen und leben.
Es ist jetzt Zeit, der CDU Sachsen öffentlich auf allen Kanälen immer wieder ganz klar zu machen, dass wir nicht bereit sind, uns für den Machterhalt einer Partei missbrauchen zu lassen, die sich der illiberalen autoritzären Strömung im Europa anschließt. Denn von vom jetzigen Gebaren von CSU und Sachsen-CDU hin zum Bestreben, Justiz und Presse gleichzuschalten, wie dies in Polen und Ungarn der Fall und dim ideologischen Kanon der AfD verankert ist, ist es bald nur noch ein kleiner, aber sehr folgerichtiger Schritt im der ganzen Republik gezeigten Bestreben, den Machterhalt auch durch das Schaffen von Sündenböcken und durch emotionale Manipulation vieler Wähler zu erreichen.
Es ist zweitens Zeit für uns, die Auflösung der alten Politischen Triebkräfte und Lager zur Kenntnis zu nehmen. Es geht nicht mehr um Gerechtigkeit, es geht heute immer stärker um Fairness und um Lebensqualität jenseits der materiellen Einkommen. Es geht nicht mehr um Konservativ gegen Links, sondern es geht um Offenheit und Liberalität versus dem autoritären Bedürfnis, anderen die größtmögliche Achtung für sich selbst und die eigenen Werte aufzuzwingen. Es geht um Recht versus Befriedigung der eigenen Emotionen und Frustrationen.
Ich glaube drittens, dass wir Grüne uns als die radikale Partei der liberalen Freiheit in Fairness, als die Gesellschaftliche Kraft der verantwortungsbewussten Moderne positionieren sollten. Diese Inhalte sind jetzt schon Programmatik unserer Partei. Wir sollten die Begrifflichkeiten, die gesellschaftliche Vision darin für uns besetzen.
Es ist viertens Zeit, die eigenen illiberalen, autoritären und selbstgerechten Anteile selbstkritisch zu beleuchten. Wir können nicht glaubwürdig gegen rechte Autoritäre auftreten, wenn wir uns der eigenen Verstrickungen in linksautoritäre Weltbilder oder der autoritären Tendenzen einiger feministischer Haltungen nicht bewusst werden. Wir können nicht glaubwürdig gegen das Sündenbock-Konzept “Muslimische Zuwanderer” auftreten, wenn wir gleichzeitig das Sündenbock-Konzept “Kapitalismus, Freihandel und Unternehmer” pflegen. Wir können uns nicht glaubwürdig gegen Nazi-Symbolik und Rechtes Traditionsgedusel stellen, wenn wir gleichzeitig ein undistanziertes Verhältnis zu Symbolik (Roter Stern, Hammer und Sichel) und Narrativen linker totalitärer Regime pflegen. Regime und Ideologien, die sich ebenso skrupelloser Massenmorde und kultureller Genozide schuldig gemacht haben.